Glauben, Geld und Warenform…

Am 01.Dezember 2011 veröffentlichte die Redaktion der Zeitschrift SEIN einen Artikel mit dem Titel „Eine Frage des Glaubens: Geld und Schulden“, der eine Anekdote aus dem Gerichtsalltag der USA erzählt, weshalb ich an dieser Stelle explizit auf ihn verweisen möchte. Trotz Anklingen erfreulich kritischer Töne, birgt dieser Artikel jedoch nur unzureichende Darstellungen und bedient letztlich eher kleinbürgerliche Argumentationsmuster und Illusionen. Es erscheint deshalb ergänzend sinnvoll, noch mal näher darauf einzugehen, um zu zeigen, warum Vollständigkeit als Kriterium unerlässlich und wichtig ist (mehr).

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Die ganze Argumentation im genannten Ausgangsartikel ist zwar formal betrachtet zunächst nachvollziehbar und als Kritik am Kapitalismus auch völlig berechtigt, doch sie ist dennoch gewissermaßen falsch, weil sie leider unvollständig bleibt, ja den Leser sogar in die Irre führt! Sie ist eine typisch verkürzte Form. Es fehlt nämlich so einiges. Die Darstellung bildet die Wirklichkeit nicht annähernd ab, sondern verzerrt sie. Der Autor lässt sie als vorrangig subjektives Problem der bösen, die Welt beherrschenden Banker erscheinen.

Ist das tatsächlich so?

Schauen wir uns z.B. den Anfang an – da heißt es, es verklagte eine Bank: „…den Kreditschuldner Jerome Daly auf Rückzahlung eines 14.000-Dollar-Hypothekendarlehens…“

Er hat also einen Kredit in spezieller Form (Hypothek) haben wollen! Warum? Weil er dieses Geld für Konsum einsetzen wollte, z.B. um sein Haus auszubauen, das Dach zu dichten, den Garten aufzuhübschen, in sonnigen Urlaub zu fahren, sich eine Stereoanlage anzuschaffen oder den Restbetrag für sein neues Auto zu bekommen etc. Er beabsichtigte also nur irgendwie etwas vorfinanzieren zu wollen.

Warum gibt ihm die Bank überhaupt den Betrag? Aus drei Erwägungen und Gründen heraus:

1. Weil sie dabei voraussetzt, dass der Schuldner in der Lage sein wird, diesen Betrag aus seinem Einkommen später tilgen bzw. die Bank für die Laufzeit mit Hypothekenzinsen dafür entschädigen zu können (notfalls haftet er in diesem speziellen Fall mit dem Wert des Hauses selbst, was ggf. per staatlicher Gewalt auch durchgesetzt wird).

Da der Schuldner ja sowieso für seinen Lebensunterhalt arbeitet und Geld verdient (als Unternehmer oder lohnabhängig Beschäftigter), woraus er Zahlungen leisten kann, soll durch die Dienstleistung der Bank aus einem finanziellen Vorgriff ein zeitlicher Vorteil für den Kreditnehmer erzielt werden, den er später wieder ausgleicht. Dafür kann bereits kaufmännisch „echtes Geld“(*) zum Einsatz kommen oder auch „Geld aus dem Nichts“ (was so allerdings nicht ganz stimmt – siehe 3.). D.h. sogar aus einem in Bezug auf das Kapital ggf. zunächst fiktiven Wert bei der Kreditvergabe kann mit der Laufzeit ein realer Zuwachs erfolgen und somit „echtes Kapital“ („realer Wert“) gebildet werden. Im anderen Fall, dass reales, d.h. bereits über die Verkettung „Arbeit-Ware-Geld“ verdientes Geld verliehen wird, soll eine erneute Wiederverwertung des Kapitals erfolgen. Das macht auf anderer Ebene der Betrachtung durchaus einen Unterschied, hier jedoch nur formal.

[* Hinweis: Die Bezeichnung „echtes Geld“ ist im kaufmännischen Sinn Geld, was von Marktteilnehmern schon verdient, d.h. wofür tatsächlich bereits etwas produktiv hergestellt worden sein muss!!! Das ist nicht automatisch identisch mit „Notenbankgeld“. Nur weil eine Geldart physisch existiert, erlangt es kaufmännisch noch nicht den Status von „echtem Kapital“ bzw. „echtem Geld“ – was meistens nicht beachtet und deshalb oft argumentativ verwechselt wird – vgl. auch die kritische Auseinanderstezung mit dem Buch „Das Ende des Geldes“ von Franz Hörmann/Otmar Pregetter durch Gero Jenner – hier]

Anstelle der Bank könnte auch eine befreundete Privatperson dem Mann vorhandenes Geld leihen. Der erhoffte Effekt wäre identisch, nur dass eine professionelle Bank sich natürlich diese Dienstleistung auf jeden Fall marktgerecht bezahlen lässt (siehe 2.).

Entscheidend ist: Das Einkommen aus Arbeitsprozessen ist also als Erwartungshaltung, Formprinzip und Regelgröße im Markt schon vorher da und somit auf dieser Ebene unabhängig von der individuellen Kreditnahme und Zinsen.

Die Notwendigkeit zum Zweck des Gelderwerbs arbeiten zu müssen ist gesellschaftlich schon von vornherein gesetzt und identisch mit dem Wesen der Marktwirtschaft (und somit nicht etwa die abhängige Variable)!!! Der Grund in dieser Art der „warenförmigen Wertprodukton“ an sich liegt historisch auch nicht im  angeblich“leichteren Tausch der Waren durch Geld“ (was oft und gern behauptet wird), sondern im staatlichen Interesse an Steuern, aus denen Soldaten, Uniformröcke und Kanonen bezahlt werden sollten. Ganz im Gegenteil. Der Zins ist sogar das beste Argument dafür, dass sich gegen seine exponentielle (Un)Logik eigentlich hätte Kapitalismus/Marktwirtschaft als dominierende Reproduktionsform niemals hätte durchsetzen dürfen, was aufzeigt, dass die Vertreter der „gesellianischen Zinskritik“ an den wirklich wichtigen Stellen plötzlich ihre eigenen Argumente scheinbar nicht mehr ernst nehmen wollen. Warum wohl?

2. Weil die Schuldverschreibung über die gesamte Laufzeit inklusive der Tilgungsphase eben einen spezifischen Mehrwert als kaufmännische Buchungsgröße und Einnahmemodell für die Bank verlangt (den Zins als Handelsaufschlag des Geldes), hofft der Bankmanager „ein gutes Geschäft“ zu machen. Der Zins verkörpert also als Spezifikum ein viel allgemeineres Grundprinzip, welches kaufmännisch für alle anderen Waren auch gilt und durch spezielle Mehrwertarten verkörpert wird – was in dem Artikel aber komplett verschwiegen wird, so als wenn Schulden und Waren nichts miteinander zu tun hätten.

Geld ist ein Produkt des Menschen und kein Naturobjekt und speziell im Kapitalismus auch eine Ware, wenn auch eine spezielle nur für den Tauschvorgang selbst. Ware heißt dabei in der Marktwirtschaft und bürgerlichen Ökonomie immer das wertmäßige Speichern von verausgabter Arbeit als abstrakten Mehrwertanteil im Gesamtwert. Der Gesamtwert tritt nominell als „Preis“ in Erscheinung. Der Mehrwertanteil bildet die Grundlage für die kaufmännische Größe „Gewinn“. Nur um den geht es jedem Akteur auf dem Markt.

3. Weil diese Forderungsfähigkeit eine Art Macht ist, welche ihr die Gesellschaft zubilligt (und die Jerome Daly per Gericht in Frage gestellt hat), um der Warenform in der Reproduktion als Marktwirtschaft zu dienen. Nur dadurch darf diese Schuld einfach auf dem Finanzmarkt aus dem Verhältnis Angebot/Nachfrage entstehen und erlangt augenblicklich gesellschaftliche und juristische Relevanz (staaliche Gewalt), was ihre quantitative Größe betrifft. Die Bank verhält sich formal also völlig korrekt!

Es handelt sich also bei genauerer Betrachtung nicht um eine „Geldschöpfung aus dem Nichts“, sondern um eine „Geldschöpfung aus einem Machtverhältnis“ heraus. Das ist durchaus – wenn auch nicht uneingeschränkt – möglich, weil Geld seinem Wesen nach ein gesellschaftliches Verhältnis ausdrückt („Kapitalverhältnis“). Es ist vielmehr der Schuldner selbst, der sich für sein Konsumvorhaben des Kreditbetrages, innerhalb dieses Verhältnisses, bedienen will.

Dabei ist es völlig unerheblich, ob derjenige, den er als Finanzier anspricht, real über das nötige Geld verfügt, es sich selbst anderweitig borgt, es selbst drucken darf oder aus der Luft als virtuelles „Giralgeld“ (elektronisches Buchungsgeld) einfach erschafft. Solange es als Zahlungsmittel rechtmäßig in den Verkehr gebracht und akzeptiert wird, fließt es in die Zirkulationssphäre  des Geldes, in den Konsum, ja sogar in die Sphäre der Produktion ein und kann dort überall gleichermaßen seine funktionelle Rolle erfüllen – Rechnungen begleichen! (Der Ansatzpunkt der Kritik im Ausgangsartikel greift als offensichtlich haltloses Argument also völlig ins Leere… Hat der Leser jedoch argumentativ keine Vergleichsmöglichkeit, steigt er natürlich leicht darauf ein. So funktioniert Manipulation bei bürgerlicher Ideologie sehr oft – durch Ausblenden, Ignorieren und oberflächlich plausibel klingende Scheinargumente.)

Anmerkung 1: Ich vertrete und verteidige diese Logik des Schuldenmachens, der Warenform und der Wertschöpfung nicht. Ich stelle sie im Unterschied zum Ausgangsartikel nur vollständig(er) dar – also bewusst gegen den Reduktionismus auf Geld und Zins bzw. die dazugehörige Berufsgruppe der Bankmanager.

Anmerkung 2: Wichtig dabei ist es zu erkennen, dass dieser Deal nur deshalb zustande kommt, weil der Schuldner und die Bank als Gläubiger gleichermaßen ein zukünftiges Einkommen seitens des Schuldners erwarten! Das ist die notwendige Grundbedingung!

Anmerkung 3: Wäre das generell nicht so, könnte keine Marktwirtschaft der Welt funktionieren, weil entweder gar keine Kredite vergeben werden würden (Zurückhaltung und Kreditklemme) bzw. andererseits lauter „faule Kredite“ vergeben werden würden, wenn deren Rückzahlung von vornherein als illusorisch einzustufen wäre. Tatsächlich zählen in der Marktwirtschaft sowieso nur die Kredite, die später auch real bedient werden. Alle anderen werden „abgeschrieben“. Ist die Wahrscheinlichkeit schon am Anfang eher gering für eine Tilgung plus Zins, hat der Bankmanager verständlicherweise kein Interesse am Deal. Er muss ja betriebswirtschaftlich ebenso Gewinn erwirtschaften, wie alle anderen Markteilnehmer auch. Das geht nicht ohne einen wertmäßigen Aufschlag.

Anmerkung 4: Verallgemeinert man dieses Prinzip kann es lauten ein Kredit ist immer ein Vorgriff auf zukünftigen Mehrwert! Und der entsteht nicht von allein, sondern muss geschaffen werden – und zwar durch tatsächliche Mehrwertproduktion.

Anmerkung 5: Einkommen aus Mehrwert bewahrheitet noch etwas Grundlegendes. Mehrwertproduktion und Mehrwertrealisation fallen auseinander. Die Mehrwertproduktion kann nur funktionieren, weil der Endpreis jeder Ware immer höher ist als die Summe seiner Kosten – also inklusive der Einkommen aus lebendiger Arbeit (Lohnarbeit) als Kostenbestandteil. Nur Lohn und Gehalt sowie ein Teil des Unternehmergewinns treten auf Märkten als Konsumkaufkraft in Erscheinung.
>> Der Überschuss wird an die Inhaber und Aktionäre ausgeschüttet bzw. reinvestiert. Nur durch die Rückverwandlung der Waren in Geld (Verkauf/Kauf) kann der in den Waren enthaltene Mehrwertanteil realisiert werden. Dinge nur herzustellen reicht nicht aus.
>> Das gleiche Auseinanderfallen gilt auch für die Menschen. Durch den zwangsweise ungleichen Zugang zu Anteilen an der gesamtgesellschaftlichen Mehrwertmasse bilden und reproduzieren sich soziale Klassen und Schichten. „Gewinner“ und „Profiteure“ bedingen systemisch immer „Verlierer“ und „Ausgebeutete“. Ein ausgewogenes Miteinander bleibt stets eine Illusion, zumal grundsätzlich insgesamt in der Gesellschaft immer zu wenig Mehrwert generiert wird.
>> Reinvestiert ein „Unternehmer“ (produktiver Einzelkapitalist) nicht in ausreichendem Maße, riskiert er damit in der Marktkonkurrenz zurückzufallen und damit seinen gesellschaftlichen und letztlich auch sozialen Status innerhalb des Kapitalverhältnisses zu verlieren. Die Kapitalisten bilden keineswegs eine homogene oder gar untereinander solidarische Klasse, sondern versuchen sich gegenseitig Kapitalanteile abzujagen, sich sogar niederzuringen oder zu enteignen (bis hin zur „feindlichen Übernahme“). Sie bekämpfen sich gegenseitig regelrecht, was auch erkennbar ist an Begriffen wie „Wirtschaftskrieg“, „Industriespionage“, „Datenklau“, „Ideenprotektionismus“, „Plagiate“, „Datenraub, „Cyberattacken“, „Headhunter“. Es gibt sogar internationale Managerschulen, auf denen militärische Strategie und Taktik zu diesem Zweck bewusst gelehrt wird.
>> Diese gesellschaftlichen Verhältnisse bieten in ihrer Gesamtheit nie zuvor da gewesene Bedingungen dafür, dass es dabei nicht unbedingt immer redlich und den eigenen Regeln entsprechend zugeht. Es bildete sich historisch ein einzigartiges Geflecht und eine große Vielfalt an „organisierter Kriminalität“ und „Wirtschaftskriminalität“ bis hin zu „mafiösen Strukturen“. „Wertmäßiger Reichtum“ ist geradezu ideal für Egoismus und Betrug. In Zeiten von Krise, Sozialabbau und Prekarisieurng verstärkt sich dieser Zusammenhang. Kapitalismus überflügelt diesbezüglich alle je zuvor existenten Gesellschaftsformen.

Anmerkung 6: Der Wachstumszwang kommt folglich aus der kaufmännischen Logik der Warenform ganz allgemein, weil in jedem Verwertungsschritt von Produktion bis Verkauf etwas wertmäßig hinzu gerechnet wird (z.B. Gewinnaufschlag, Handelsspanne, Marge)!!! Deshalb muss die Nominalmenge des Geldes auch wachsen. Dazu braucht das Gesamtsystem Kredite, egal ob dafür Zinsen verlangt werden oder nicht. Oder es bedarf anderer adäquater Mechanismen, um permanent die Geldmenge der Wertgröße aller Waren anzupassen. Die Zinsen, so sie denn existieren, gehen langfristig aus bestimmten Gründen sowieso gegen Null, weil die betriebswirtschaftliche Verwertung immer unrentabler wird (mehr). Erst wenn reine Spekulationsgewinne dazu kommen, negiert sich diese Aussage wieder, weil entkoppelt von der Arbeit plötzlich substanzlose „Traumgewinne“ locken. Die durchschnittlichen Einkommen jedoch sinken. Allein deshalb greifen sämtliche Konzepte mit „Umlaufgebührensicherung“ für ein „Fließgeld“ auch nicht, weil sie die ganzen Probleme der sinkenden Profite innerhalb der Mehrwertproduktion, was sich theoretisch begründen lässt und auch empirisch durch die 1970er Jahre bestätigt ist, völlig unberücksichtigt lassen. Das blenden“gesellianische Zinskritik“ und „Geldreformbewegung“ kategorisch aus, denn es würde den Wesenskern der Marktwirtschaft an sich in Frage stellen, was diesem Teil des bürgerlichen Bewusstsein wie reine Blasphemie erscheinen muss (sozusagen ihre aus ideologischen Gründen „blinden Flecken der Ökonomie“).

Anmerkung 7: Tote Arbeit (Maschinenarbeit) schafft keinen Mehrwert, sondern überträgt stets nur per Abschreibung den Eigenwert auf das Endprodukt! Das ist auch logisch, weil sie ist ja schon „vergegenständlichte Arbeit“. Maschinen bekommen keinen Lohn und kaufen auch nichts als Konsumenten auf Märkten. Sie sind nur Werkzeuge (Produktionsinstrumente) und somit indirekte Helfer für die lebendige Arbeit des Menschen.

DAS HAT MEHRERE KONSEQUENZEN:

Konsequenz 1: Verausgabte Lebensenergie wird kaufmännisch in abstrakten Mehrwert verwandelt, um neues Kapital zu bilden. Der Charakter der Arbeit besteht deshalb darin, gesellschaftlich gesehen abstrakte Arbeit zu sein. Die Arbeit bildet die „Substanz des Kapitals“ (Robert Kurz). Diese beiden Erkenntnisse sind die zentrale Erkenntnis überhaupt, denn es handelt sich bei diesem Abstraktionsprozess um einen starken Reduktionismus. Dieser bedeutet: was dabei konkret gemacht und hergestellt wird, also die stofflich-energetische und sinnlich-haptische Seite der Produkte, deren Gebrauchswert und Nutzen, ist dem Kapital gegenüber, völlig gleichgültig!

Konsequenz 2: Aus der Warenlogik selbst muss der Kapitalwert (Nominalwert) permanent steigen, um den stetig steigenden Wert der Waren überhaupt realisieren zu können. Das ganze Leben ist in dieser Hinsicht nicht nur eine einzige Zumutung, sondern hängt damit auch vom Gelingen der Kapitalverwertung und ausreichendem Wachstum ab. Gleichzeitig gilt es stets möglichst nicht Opfer der allgegenwärtigen Kriminalität zu werden.

Konsequenz 3: Dazu müssen permanent Kredite ausgegeben werden, weil sich sonst der Nominalwert des Kapitals nicht angemessen erhöht (Geldmengenpolitik / Monetarismus). Alternativ könnte der Staat Geld erzeugen und für Infrastrukturen ausgeben. Das ist aber langfristig nur sehr begrenzt möglich. Außerdem agieren die Banken inzwischen meistens getrennt vom Staat, allen voran die Notenbanken, die allein physisches Geld herstellen dürfen. Der Staat muss sich sogar selbst verschulden, um manche notwendigen Ausgaben tätigen zu können. In Krisenzeiten sowieso.

Konsequenz 4: Das Kapital muss entsprechend der sich stetig vergrößernden Warenmenge und damit notwendigerweise vergrößernden Geldmenge immer mehr an lebendiger Arbeit in Form abstrakter Arbeit vereinnahmen, um diese Produktionsweise von Wert und Mehrwert am Laufen zu halten. Abstrakte Arbeit führt, weil der ihr zugrunde liegende Wert auf sich selbst zurückgekoppelt ist, dazu, mit jedem Verwertungszyklus, noch mehr abstrakte Arbeit zu benötigen. Aus Arbeit wird systembedingt stets noch mehr Arbeit. Es braucht also immer mehr menschliche Arbeitskräfte, die für Lohn/Gehalt/Gewinn arbeiten müssen. Dass das allein durch die Zahl der Menschen endlich ist, liegt auf der Hand und spricht eindeutig für einen Systemwechsel.

>>Der ist bis heute leider ausgeblieben. Bereits in den 1960er Jahren hatte die BRD Vollbeschäftigung erreicht. Da hätte das erfolgen können und müssen. Doch man sucht bis heute lieber Wege, um Marktwirtschaft irgendwie dennoch zu retten. Hinzu kommt, dass durch den technischen Fortschritt die Masse der Menschen als Arbeitskräfte längst nicht mehr benötigt wird. Meint man sie dennoch irrationalerweise wieder reintegrieren zu können oder wollen, so ist dies wertmäßig nur durch eine massive Ausdehnung der Verschuldung, also über eine quantitative Vergrößerung des Kreditvolumens möglich. An dieser Stelle wird kausal die wirkliche Ursache der ganzen Finanzkrisen erkennbar – der Mangel an Mehrwert!!!  Die immer wieder auftretenden Krisen sind ihrem Wesen und Ursprung nach stets Krisen der Arbeitswelt und hängen alle miteinander zusammen. Das typisch gläubige, bürgerliche Bewusstsein verdreht diesen kausalen Zusammenhang, weil das vermeintlich „gute Produktivkapital“ ja nicht in Frage gestellt werden darf. Es nimmt diese Phänomene deshalb auch nur als „zyklische Krisen“ ohne inneren Zusammenhang wahr. Es könne durchaus unendlich so weitergehen…und schon ist das Gemüt beruht. Doch dem ist womöglich nicht so, was manchen allmählich dämmert… Doch was dann?

MIT DIESEM WISSEN ZURÜCK ZUM AUSGANGSPROBLEM:

Was ist also „zukünftiges Einkommen“? Woher kommt es? Natürlich wie aufgezeigt aus der betriebswirtschaftlichen Verwertung von Kapital, und zwar genauer – der lebendigen Arbeit innerhalb des „Produktivkapitals“. Der Schuldner muss also fremdbestimmt für anderer Leute Kapital(vermehrung) arbeiten oder – wenn er genug Kapital hätte – kann er andere arbeiten lassen, um selbst Mehrwert (nach dem Wertschöpfungsprinzip) zu generieren, also sein eigenes Kapital durch Kapitalakkumulation zu erweitern. Das äußert sich im Gewinn oder Lohn/Gehalt. Erfolgt das nicht, oder nicht ausreichend oder ein solches Einkommen erscheint von Anfang an als unrealistisch, dann kommt der Deal mit der Bank normalerweise gar nicht zustande oder gerät in eine Krise mangels Zahlungskraft des Schuldners. In diesem speziellen Fall liegt das wie oben erwähnt natürlich etwas anders, weil das Haus selbst im Notfall als Gegenwert dienen könnte. Vielleicht schaut die Bank deshalb auch nicht so streng hin. Aber vom Grundprinzip her will der Schuldner sein Haus behalten und die Bank nicht Häuser haben, sondern Geld in Form laufender Zinszahlungen bzw., bei normalen Konsumkrediten oder Unternehmerkrediten zur Vorausfinanzierung der Produktion, will die Bank auch eine Tilgung der Kreditsumme selbst.

Erst wenn man sich also diese Logik anschaut, auf der Kredite im Rückzahlungsmodus basieren, wird ein vollständiges Bild daraus. Und ich kann das Thema hier sogar nur anschneiden…

Das schmälert keineswegs die Aussage des Ausgangsartikels. Natürlich ist es irrational, mehr für Kredite zurück zu verlangen, als insgesamt überhaupt an Geld ausgegeben wurde – aber das verlangen wir für JEDE ANDERE WARE auch!

Der ganze Kapitalismus, sprich die ganze Marktwirtschaft, ist irrational!!!

Wer das Kapital als Gesamtverhältnis zudem meint auftrennen zu können, nämlich in die Kategorien „schaffendes“ (gutes, produktives) Kapital und „raffendes“ (schlechtes Finanz-) Kapital, argumentiert auf eine Art, die in der kritischen Gesellschaftstheorie als „struktureller Antisemitismus“ bezeichnet wird. Genau dieses Denken kennen wir nämlich bereits aus der Geschichte, aus der Weimarer Republik und der NS-Zeit. Das vermeintlich „gute, deutsche Industriekapital“ gegen das vermeintlich „böse, jüdische Weltkapital“. Deshalb der Begriff „struktureller Antisemitismus“ für diese Denkform. Dieses Argumentationsmuster wird aktuell auch in der OCCUPY-Bewegung kritisch diskutiert, weil man diese Denkform überall im bürgerlichen Bewusstsein findet, bei attac, Gewerkschaften und Parteien „links“, „mittig“ oder „rechts“ stehend. Die Konsequenzen übersteigen scheinbar Intellekt und Nervenkostüm gleichermaßen. Sie greifen tief in unser aller Leben ein und die gesellschaftlichen Grundüberzeugungen und Axiome an.

Dass das alles nur per „Glauben“ ans Geld funktionieren kann, ist natürlich richtig. Dieser Glaube besitzt regelrecht religiöse Züge. Die BWL ist die dazugehörige Theologie der Moderne (vgl. auch „Das Netzwerk des Kapitals…“ hier).

Richtig ist natürlich auch die finale Schlussfolgerung des Ausgangsartikels, dass es keinerlei „Verschwörungen“ bedarf, um den „Wert“ von Arm nach Reich umzuschaufeln. Das passiert auch dann, wenn man den Zins abschaffen könnte, nämlich durch die betriebliche Verwertung der Kapitalmasse in der Gesellschaft ganz allgemein (ergibt bei gleicher Profitrate eine exponentielle Steigerung, genau wie der Zinseszinseffekt – sogar nominell höher!). Zinsen sind wie gesagt lediglich eine spezielle Form von Mehrwert – eine kaufmännische Forderungs- und Abrechnungsform auf dem Geldmarkt, um die primär zugrunde liegende und stets schon vorausgesetzte „Realproduktion“ zu ermöglichen (optimale Verteilung des Geldes auf die profitabelsten Märkte). NICHT ANDERS HERUM!!! Gerade an dieser Stelle wird das in der kleinbürgerlichen Zinskritik verdreht, also Ursache und Wirkung kausal vertauscht. Erst war historisch die Warenform da. Dann entwickelte sich daraus über das Äquivalenzprinzip das Geld „als die ausgesonderte Ware“ (Karl Marx) und universelles Tauschmittel. Die Urschuld entstammt also zweifelsfrei der Warenform und nicht dem Geld!

Den Glauben an das Geldsystem zu verlieren ist daher wirklich nur einer der allerersten Schritte, um endlich aufzuwachen.

Es rettet uns auch kein „demokratischeres Geld“, solange damit Mehrwert produziert werden muss – und nur dafür macht Geld als Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel Sinn. Andernfalls entfällt es ebenso, wie der dazu notwendige gesellschaftliche Aufwand. Dieser ist untrennbar mit der Warenform verbunden. Die eigene Betriebsblindheit in Bezug auf die Warenform zu überwinden, müsste daher das eigentliche Ziel des Erwachens sein. Solange die Menschen jedoch noch Spaß beim Verkonsumieren der Welt in der Warenform haben, dürfte das Erwachen schwierig werden. Das Bewusstsein verdrängt die damit verbundenen Widersprüche und Probleme. Daher übrigens auch all die ideologischen Rettungsansätze bezüglich der Marktwirtschaft und die kurzatmige Kritik an Geld und Zins, sowie der kurze Erinnerungshorizont des bürgerlichen Bewusstseins (siehe). Man betäubt sich regelrecht auf viele Arten und ist taub gegenüber Argumenten, bis vielleicht irgendwann ein persönlich erlittener „Burn Out“ die Dinge doch in Frage stellt. Allein in Deutschland sind davon schon 9 Millionen Menschen betroffen, was im September 2011 mediale Schlagzeilen machte. Soviel zum „guten Leben“ und „Wohlstand in der Marktwirtschaft“.

Die Klassenunterschiede waren historisch über lange Zeit sogar eine Bedingung dafür, dass die Marktwirtschaft funktionieren konnte, denn dadurch musste der eine seine Arbeitskraft zwingend an den anderen verkaufen. Ohne also etwa die Existenz sich gegenüberstehender Interessen, Klassen und sozialen Schichten zu verkennen, kann man dennoch festhalten, dass alle Marktteilnehmer der gleichen Realabstraktion unterliegen.

Nur weil es Personengruppen unter den „Funktionären des Kapitals“ (Karl Marx) gibt, die von dieser Realabstraktion des Wertes (wertmäßiger Reichtum) profitieren und die größten Nutznießer und Eigentümer sind, sowie an vielen Hebeln der Macht sitzen, heißt das aber keinesfalls, dass sie wirklich die alleinigen und wahren Herrscher sind. Sie unterliegen einer viel höheren Kraft, nämlich dem stummen Zwang zur Kapitalverwertung (und damit auch dessen inneren, krisenhaften Widersprüchen), weil wie oben aufgezeigt, Mehrwertproduktion und Mehrwertrealisation auseinanderfallen. Beides unterliegt als Bedingung der universellen Konkurrenz auf dem Markt. Niemand weiß also, wie viel Mehrwert am Ende dabei rauskommt und ob man seine Macht letzten Endes tatsächlich behält oder nicht doch an den Konkurrenten verliert. Allein deshalb kann es keinen Stillstand geben. Die abstrakte Verwertung des Wertes als irrationaler Selbstzweck ist den Basiskategorien des Kapitals (Arbeit, Ware, Geld) strukturell eingeschrieben und muss unendlich vorangetrieben werden – koste es was es wolle – und wenn Millionen verdursten, verhungern oder gar in Kriegen dafür sterben müssen. Gewinn geht über alles! Viva la Marktwirtschaft!

Fazit: So irrational und zerstörerisch die Wirkungen des Zinses auch sind und so richtig die Erkenntnis auch ist, dass wir alle irgendwie den Banken „gehören“ und von ihnen maßgeblich beeinflusst, dirigiert und natürlich auch systematisch ausgebeutet werden, wie im Ausgangsartikel angedeutet, kann man die Ursache der Probleme eben gerade nicht allein auf die Bankmanager und angebliche „Exzesse“ schieben, oder auf eine einzelne Ware wie Geld oder gar Zins als speziellen Teil davon. Wir alle bilden das Kapital als gesamtgesellschaftliches Kapitalverhältnis. Dem können wir nur entkommen, wenn wir es gemeinsam und bewusst aufheben, um aus den Bausteinen des Alten etwas Neues zu kreieren, was in sich selbst widerspruchsfrei und allen Menschen gleichermaßen dienlich ist.

Holger Roloff, 01.Dezember 2011

 

Der Traum vom guten Geld – das Buch von Ernst Lohoff unterzieht die Lehre von Silvio Gesell und seinen Anhängern einer kritischen Analyse und ordnet sie als das ein, w as sie ihrem Wesen nach ist – eine Ideologie (hier)

Geld im Kapitalismus – Interview mit Claus Peter Ortlieb (Audio)

Warum die Zinskritik als (fetischhafte) Kapitalismuskritik oft zu kurz greift, beleuchtet Beitrag bei Radio Helsinki (Österreich) (hier)

Imperialismus ist ein Entwicklungsstadium des Kapitalismus – ein Kommentar von Susan Bonath  am 01-10-2018 Tagesdosis bei KenFM (hier)

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Author: Ian