Replik auf Frank Schirrmachers Buch „Ego“

Frank Schirrmacher, Journalist der FAZ hat ein Buch über Technik, Spieltheorie und den Wahnsinn der Börsen vorgelegt. Doch ist er selbst Teil dessen, was er kritisiert und unfähig, Lösungsansätze zu präsentieren. Dies ist nicht nur bei ihm so, sondern auch bei den Schreibern von SPON, die das Zusammenspiel von militärischen, wirtschaftlichen und geistigen Eliten in Amerika kritisieren und die deutschen Anteil vergessen. In arabischen Ländern liegt Schirrmachers Buch wahrscheinlich obenauf mit anderen Amerika- und Israelkritischen Schriften – neu nur, dass der Autor ausnahmsweise mal ein Deutscher ist.

Ist es Zufall, dass Deutschland just jetzt auch neue hegemonielle Ansprüche in der „Weltordnung“ stellt? Dass die Zentralbank in Frankfurt (wo die FAZ beheimatet ist) beginnt, die Verzahnung von Banken und schmutzigem Geld auf ihre Weise zu lösen? Dass die FAZ die Frankfurter Rundschau (ihr linkes Pendant) übernimmt? Ist es Zufall, dass Deutschland auf eine Armutsfalle zusteuert, wie sie in Amerika längst Realität ist und Stimmenfang mit nationalistischen Untertönen wieder erfolgsversprechend ist?

Geschichtfortschritt

Frank Schirrmachers Buch ist auf Platz 1 der Sachbuch Bestsellercharts, so wie Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“, dass inzwischen wieder vergessen ist. Man kommt nicht drum herum, sich damit auseinanderzusetzen, denn Bücher und Artikel mit dem Tenor der „bösen Welt“ mehren sich in der Krise. Zunächst ist einmal zu sagen, dass Frank Schirmmacher zu denselben männlich-technokratischen Eliten gehört, die er kritisiert. So wie Sarrazin zu den Einwanderungsfamilien gehört, die er kritisiert. Bücher, die in dieser Art geschrieben werden, wecken Emotionen. Sie geben Menschen eine Hoffnung, die sich ebenfalls ungesehen fühlen und ihren unbewussten Sorgen Ablenkung gewähren. Wer hätte nicht Frust auf dieses System, auf die Ausartung der Technik, die Abhängigkeit von elektronischen Geräten und die Macht dieser Geräte in den Händen von Militärs und Finanzakrobaten?

Es trifft besonders die, die am letzten Ende der Verwertungskette stehen, Arbeitslose, Kranke und Menschen mit zwei linken Händen. Aber um die geht es Frank Schirrmacher nicht. So ist sein Buch im Prinzip ein Propagandawerk derselben Elite, die durch die Technokratie profitiert. Es ist ein geschickter Schachzug, dies gleichzeitig als Kritik zu tarnen. Populismus reitet immer auf Widerstandwellen und macht sich die Argumente der Gegner zu eigen. Deutschland stellt einen neuen Führungsanspruch in der Welt. Und es gibt Personen, die dabei sein wollen. Das ist normal, da Deutschland ein Hochtechnologieland ist, 30% aller Industrieroboter stehen hier, ein Fünftel aller Waffen weltweit werden hier hergestellt und ein großer Teil von Patenten. Mit dieser Macht muss man verantwortungsbewusst umgehen.

Die Technologie schafft Arbeitsplätze für die, die sich in der Hatz auf entsprechende Arbeitsplätze durchsetzen. Sie hinterlässt Breschen der Armut bei jenen, die dabei auf der Strecke bleiben. Dies ist ein Mechanismus, der so alt ist wie die Menschheit, große Kulturen stiegen mit der Vormacht ihrer Technik auf und gingen an ihrer Unmenschlichkeit zugrunde. Gegen diesen Mechanismus helfen keine moralischen Fingerzeige, wie die von Frank Schirrmacher. Vor der Moral kommt immer noch das Fressen. Ein Mensch, der nichts zu essen hat, kämpft ums Überleben und kann sich nicht um die „feinen Unterschiede“ der hohen Herren kümmern. Appelle an die Moral weisen Schuld zu, sie erniedrigen Menschen, die schon unter die Definitionsschwelle des Menschseins (=Besitz eines Arbeitsplatzes, der ein ausreichendes Einkommen generiert) fallen, ein zweites Mal.

EGO Buch

Es geht darum, die Menschen in ihrer Würde zu schützen. Es geht darum, nicht nur Kinder in der Erlernung der technischen Fähigkeiten zu fördern, sondern auch ihre Eltern. Jeder, der Kinder hat müsste eigentlich ein Smartphone besitzen, um zu wissen, in welcher Welt seine Kinder leben. Es geht um regionale Autonomie und die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens. Es geht um ein bedingungsloses Grundeinkommen, dass die Würde des Menschen in dem Wahnsinn des Wütens der technokratischen Großkonzerne beschützt, ein BGE, dass weder die FAZ, noch die Gewerkschaften noch die großen Parteien unterstützen.

Frank Schirrmacher macht die Spieltheorie als die „Ursache“ des Übels an den Börsen und Finanzplätzen aus.  Doch sagt genau diese Spieltheorie das Verhalten der männlich-technokratischen Eliten, zu denen auch Frank Schirrmacher gehört, wunderbar voraus. Schirrmachers Argumente und sein Abschreiben bei Autoren des Genres des Politthrillers sind so berechenbar wie der kirchliche Unterton des Leitartikels der FAZ und der Lauf einer Maus zum Käse. Die Welt von Google, CIA , Siemens und Pabst funktioniert nach einfachsten Machtregeln und hat sich auch durch die Spieltheorie nicht in ihrer Grundstruktur geändert. Über sie als Journalist zu jammern ist etwa so sinnvoll wie der Flug zum Mond. Die Spieltheorie hat in vielen Experimenten gezeigt, dass die optimale Strategie für jeden Einzelnen die Kombination von Kooperation und (unmittelbarer) Sanktion bei nicht kooperativem Verhalten anderer ist. Maximaler Egoismus hingegen hat auf Dauer weniger Erfolg, auch wenn das im Einzelfall anders sein kann.

Sie versucht den Rousseauschen Gedanken zu widerlegen,  dass es allen besser geht, wenn jeder für sich selbst sorgt. Kein Weltkonzern hat alleinigen Marktanteil, jeder ist auf das Zusammenspiel mit den anderen angewiesen. Jeder Ballsportler weiß aus direkter Anschauung, dass er selber auf die Füße kriegt, je mehr er foult. Gerade die Wirtschaft zeigt dieses Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit von allen gesellschaftlichen Systemen am besten und deshalb verwehrt sie sich zu Recht gegen den Einfluss von Politikern und Journalisten, die von Wirtschaft keine Ahnung haben.

Trotzdem ist Schirrmachers Buch eine Einladung zur Diskussion und zum Austausch innerhalb verhärteter Meinungsstrukturen zwischen links und rechts, Ost und West, Nord und Süd. Was Schirrmacher vielleicht sagen will ist, dass wir alle derselben Übermacht ausgeliefert sind, die uns zu maschinellen Nummern verwandelt, wenn wir nicht aufpassen. Doch die beste Gegenwehr war immer noch das soziale Miteinander, das Zusammenhalten der Unterdrückten und das Lachen über die Spiele der Oberen. Die Botschaft von Jesus Christus in diese Richtung lautete: Als Mensch sind wir alle gleich geknechtet und getrieben. Lasst uns diesem Spiel nicht zu viel Energie verschwenden, es gibt andere, wichtigere Dinge im Leben.

Als Vertreter deutschen Führungsanspruchs mit dem Finger auf Amerikaner zu zeigen ist mehr als gewagt. Wenn wir etwas in der Welt verändern wollen, dann sollten wir mit diesen Schuldzuweisungen aufhören und anfangen, die eigenen Fehler und Probleme im Land zu thematisieren und unsere Rolle als europäischen Währungshüter überdenken, der in Zypern Kleinanleger verprellt und Millionäre weltweit wie Verbrecher verfolgt, während die Deutsche Bank mit kriminellen Methoden Billionen scheffelt.

Schirrmacher Tränen sind Krokodilstränen, die die eigene Ohnmacht beweinen, die uns alle angesichts der Gewalt, mit der die nächste Krise über uns herfällt, bedrückt. Die richtige Frage wäre die nach der Selbstbestimmung und weltweiten, diplomatischen Zusammenarbeit für verbindliche Regeln im Finanzmarkt. Wer sagt, wir wären der Technik ausgeliefert hat seine Selbstbestimmung eigentlich schon aufgegeben.

Andreas Bleeck, April 2013

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Author: Stefanie